Coyhaique, in der Sprache der
Ureinwohner Patagoniens, ein Ort, an dem man sich niederlaesst. Die
ehemalige Siedlung der Mapuche Indianer ist heute eine Kleinstadt mit
rund 50 Tausend Einwohnern und ein Mekka fuer Fliegenfischer aus aller
Welt. Der Ort liegt auf
dem 45 zigsten Breitengrad Sued. Dort im Herzen des chilenischen
Patagonien gibt es "breath-taking nature" mit
schneebedeckten Bergen der Andenkordillere, breiten saftig gruenen
Taelern sowie unzaehligen Fluessen, Baechen und Seen in
Trinkwasserqualitaet. Mit nur 0,7 Einwohnern pro quadrat km ist die
XI. Region das duennbesiedelste Gebiet Chiles.
Rauhes Klima
Wer allerdings aehnliche
Wetterbedingungen wie in Venedig erwartet, das auf dem gleichen
Breitengrad auf der Nordhalbkugel liegt, hat falsche Kleidung im
Reisegepaeck. Von Oktober bis Mitte Dezember sind die Winde heftig.
Die Temperaturen liegen tagsueber um die 15 Grad Celsius. Der kurze
Sommer bis Ende Feber ist nicht viel waermer. Allerdings sind
an mehreren Tagen Temperaturen bis 30 Grad moeglich. Herbstlich
wirds schon meistens im Maerz. Und wenn es dann im April keinen
"goldenen Oktober" gibt, dann sind bereits erste
Nachtfroeste wahrscheinlich. Schnee
faellt jedoch in der Regel erst ab Mitte / Ende Mai. Wetterfeste und
warme Kleidung ist daher fuer einen Besuch in dieser klimatisch
unwirtlichen Gegend besonders wichtig.
Patagonien:
in Argentinien und Chile
Patagonien, eine Region bei dessen
Erwaehnung unsere Fischerherzen schneller schlagen. Das Gebiet umfasst
den Teil suedlich vom Rio Negro in Argentinien und dem Bio Bio Fluss
in Chile. Es weist unzaehlige Gewaesser auf,
in denen um die Wende zum 20sten Jahrhundert von engagierten
Privatpersonen, teils mit staatlicher Unterstuetzung, befruchtete Eier
von Bach- und Regenbogenforellen aus Europa und den USA eingebracht
wurden. Diese Salmoniden haben sich praechtig entwickelt und
verbreitet. Fast in jedem Gewaesser trifft man sie heute als
stationaere oder zum Teil auch als wandernde Form an; in einigen Seen
und Fluessen fuer uns Europaer in unvorstellbarer Groesse. Aeschen
sind in Patagonien nie angesiedelt worden.
Lachsfarming: bedeutender
Wirtschaftszweig
In den sechziger und
siebziger Jahren des 20 sten Jahrhunderts engagierten sich erst
japanische und etwas spaeter norwegische Lachszuchtunternehmen mit
off-shore Kaefigen vor der chilenischen Kueste Patagoniens. Chile ist
heute nach Norwegen das wichtigste Export Land von frischen und an-
gefrorenen Salmonidenfilets. Neben der Regenbogenforelle und dem
Chinook Lachs, besser als King Salmon bekannt, werden
Coho Lachse und mit Erfolg im pazifischen Meerwasser auch der
atlantische Salmo Salar gezuechtet.
In und um Coyhaique ist die Lachsindustrie wichtigster
Arbeitgeber und Wirtschaftszweig neben der ebenfalls
bedeutenden Holzverarbeitung.
Als engagierte Fliegenfischer
wissen wir von den zahlreichen Umweltproblemen, die die Aufzucht von
Salmoniden in Kaefigen off-shore aber auch in den chilenischen Seen
der X. Region weiter noerdlich in der Gegend von Valdivia, Puerto
Montt und Osorno verursacht. Auch sind wir informiert ueber genetische
Veraenderungen durch
Paarung stationaerer Salmoniden mit aus Zuchtanstalten entwichenen
Fischen. Und das sind eine Menge! Die staatliche chilenische
Aufsichtsbehoerde fuer das Fischereiwesen schaetzt, dass jaehrlich bis
zu sieben Millionen Zuchtfische aus den Kaefigen entweichen. Oft
halten die Maschen einbrechenden Unwettern nicht stand, Seeloewen
zerstoeren die Drahtkaefige, von Wettbewerbern engagierte Taucher
schneiden mit Drahtscheren groessere Oeffnungen in die
Aufzuchtbehaelter der Konkurrenz oder von Krankheitserregern befallene
Zuchtfische werden von
den Betreibern illegal ins Meer oder in einen See entlassen.
Die Fische, die wir
erwarten
Fuer unsere Leidenschaft
bieten entkommende Fische jedoch einen zusaetzlichen Reiz. Im November
steigen die "Kings" in Fluesse auf, die in den Pazifik
muenden. Im Rio Aysen,
der oberhalb des Zusammenflusses mit dem Rio Mañihuales, Rio Simpson
heisst, werden Chinooks bis zu 20 kg gefangen. Nur wenige fischen auf
diese Lachse mit der Fliege. Die Spinnangel mit grossen Blinkern und
Wobblern ist offensichtlich erfolgreicher. Ab Ende Januar sind die
Fische nicht mehr silbern. Ihre Koerper sind vom beschwerlichen
Aufstieg erschoepft und geschwaecht. Sie nehmen eine haesslich braune
Farbe an.
Ende Maerz und April kommen
Cohos in die Fluesse. Diese Lachsart bietet herrliche Fischerei mit
der Fliege. Allerdings ist das Durchschnittsgewicht wesentlich
geringer als das der Kings. Doch "Silvers" zwischen drei und
fuenf Kilos verlangen vom
Fischer und seinem Geraet Konzentration und starke Nerven.
Den aus Kaefigen entwichenen
atlantischen Lachs findet man im ca 400 km weiter noerdlich von
Coyhaique liegenden Rio Puelo. Meines Wissens wurde noch kein Salmo
Salar in den Gewaessern um Coyhaique gefangen. Da aber die
Zuchtbetriebe mehr und mehr dazu uebergehen, den atlantischen Lachs
statt pazifischer Arten aufzuziehen, wird es kuenftig
wahrscheinlicher, auch "Salmo
Salar" in den
Fluessen um Coyhaique anzutreffen.
Wandernde "brown
trouts" sind in der Umgebung von Coyhaique nicht vorhanden. Zum
Fang dieser zu beachtlicher Groesse heranwachsenden atlantischen
Meerforellen muessen wir nach Feuerland reisen, um den beruehmten Rio
Grande in Argentinien oder seinen Oberlauf in Chile zu befischen. Auch
der noerdlicher in Argentinien gelegene Rio Gallegos verzeichnet einen
beachtlichen Aufstieg mit "sea run brown trouts". Dafuer
wachsen Exemplare der stationaeren Bachforelle in den Fluessen und
Seen um Coyhaique zu erstaunlichen Groessen heran. Gleiches gilt fuer
harmonisch abgewachsene stationaere Regenbogenforellen.
Die wandernde Form der
Regenbogenforelle, die "steelhead" finden wir ebenfalls in
einigen Fluessen der chilenischen XI. Region. Dafuer ist der Saibling,
die "brook trout", der einen herrlichen Sport in den
argentinischen Seen um San Martin de los Andes, Bariloche und Esquel
bietet, nur aeusserst selten in den Gewaessern um Coyhaique herum
anzutreffen.
Eine lange Anreise
Einen ganzen Tag, das
heisst 24 Stunden ist man sicher unterwegs. Die Zeit von zuhaus bis
zum heimischen Flughafen, das Einchecken in den Transatlantikflug, am
besten mit der chilenischen Fluggesellschaft LAN und ihren modernen
Airbussen, der Zwischenstop in Madrid, die Landung in Chiles
Hauptstadt Santiago, die aufwendige und nervige Wartezeit am
Migrationsschalter, der Wechsel aus der internationalen in die
nationale Abflughalle, der Anschlussflug nach Balmaceda- dem Flughafen
von Coyhaique -und immer wieder die quaelende Frage, ob das Gepaeck
mit den Waders und der wetterfesten Kleidung tatsaechlich am
Zielflughafen ankommt. Reiseruten, Rollen und Fliegen waren ja
hoffentlich als
Handgepaeck dabei.
Balmaceda, die Hauptstadt des
Windes. Hier blaest es maechtig; und das fast immer. Der Anflug mit
Landung ist nichts fuer schwache Nerven.
Aber dann geht alles recht
schnell. Gepaeck ist da und auch der georderte Abholservice. In knapp
einer Stunde nach Ankunft kann geduscht und im reservierten Quartier
ausgeruht werden. In der Heimat ist es ja schon vier bis fuenf Sunden
spaeter.
Ob ein kurzer Anruf bei den
Lieben daheim moeglich ist, haengt ganz davon ab, wo man untergekommen
ist. In der Stadt Coyhaique gibts Handyempfang. Internet ist da schon
seltener und wenn ja in einer Geschwindigkeit, die man von zuhaus gar
nicht gewohnt ist. Hat man keine Luxus-Lodge sondern eine preiswertere
Unterkunft ausserhalb der Stadt gebucht, ist Funkstille. Kein Handy
hat Empfang. Erst dann bemerkt man, dass hier fast das Ende der Welt
ist.
Nuetzliche Informationen
Spezielle Angebote fuer uns
Fliegenfischer gibt es reichlich. Ueberall werden Touren zu den
Fischgruenden offeriert. Ein Guide ist sehr empfehlenswert. Er kennt
sich aus und bringt den Fischer je nach Verabredung mit einem 4X4 an
die Erfolg versprechenden Ufer. Auch Float Trips ueber Fluesse und
Seen koennen jederzeit vereinbart werden. Billig ist die Sache
allerdings nicht. Ein Fuehrer nimmt pro Tag fuer je zwei Fischer mit
angebotenem Picknick zwischen 120 und 200 Euro.
Die Fischereisaison in der XI.
Region Chiles beginnt Anfang Oktober und endet Anfang Mai. Bis Mitte
November und dann wieder ab April ist "catch and release"
vorgeschrieben. Aus Seen darf zwischenzeitlich eine Salmonide pro
Fischer und Tag entnommen werden; aus Fluessen ist die Begrenzung auf
drei festgelegt. Naturkoeder sind grundsaetzlich fuer den Fang von
Salmoniden verboten.
Die Fischereierlaubnis ist fuer
uns Europaer, die an hohe Preise von Tageskarten gewoehnt sind, eher
billig. Sie ist ein Jahr gueltig und erlaubt die Fischerei in allen
chilenischen Gewaessern. Unter www.sernapesca.cl kann sie per internet im Land geloest werden. Chilenen zahlen
dafuer rund 25 Euro; Auslaender ohne Wohnsitz in Chile, das Doppelte.
Es gibt zahlreiche, sehr
komfortable, geschmackvoll eingerichtete "fishing lodges",
die fast ausschliesslich von nordamerikanischen Gaesten frequentiert
werden. Hier spricht man leidlich englisch, was die Kommunikation auch
fuer Europaer erleichtert. Die Preise in diesen Unterkuenften
orientieren sich an internationalen Standards und liegen zwischen
vierhundert und sechshundert US Dollar pro Tag und Person. Dafuer wird
der Gast rund um die Uhr betreut, verpflegt, beraten und zu den
Fischgruenden gefuehrt. Durch Satellitenempfang sind hier auch teure
Telefongespraeche und i-net Zugang moeglich.
Wer preiswerter reisen moechte,
sollte sich in spanisch verstaendigen koennen. Fremdsprachen sind in
Chile so gut wie unbekannt. Auch Informationen auf web Seiten wie
"man spricht deutsch" oder "english spoken",
erweisen sich dann vor Ort als Makulatur.
Ohne Ortskenntnis wird die
Fischerei zur Glueckssache. Oft liegen aussichtsreiche Fliessgewaesser
oder Seen und Lagunen innerhalb privater Farmen. Der Zugang ist durch
Einzaeunung mit verschlossenen Gattern
versperrt. Nur die kundigen Fischereifuehrer erhalten Zutritt.
Oft bezahlen sie eine Gebuehr oder ein Bestechungsgeld an die Aufseher
fuer die Benutzung interner Farmwege. Obwohl in Chile jeder mit einer
Fischereierlaubnis das Recht besitzt, an allen Gewaessern zu fischen,
ist die Regelung des Zuganges unklar. Mehr und mehr greift deshalb die
Praxis um sich, eine Gebuehr fuer die Fahrt durch Privatgelaende zu
erheben. Im Nachbarland Argentinien ist dies schon seit Jahren usus.
Ein 4X4 Leihwagen kostet pro
Tag zwischen 80 und 110 Euro. Die meisten Strassen sind nur
Schotterpisten; die Entfernungen entsprechend zeitaufwendig. Wer in
Coyhaique sein Feriendomizil errichtet, hat in einem Umkreis von 100
km unzaehlige Moeglichkeiten. Neben der Fischerei in Seen und Lagunen
mit "Monsterbrownies" und starken Rainbows, koennen in
spring creeks, Baechen und Fluessen mit Trockenfliegen,
Streamern und Nymphen Bach-
und Regenbogenforellen erfolgreich befischt werden. Hier variieren die
Gewichte zwischen einem halben bis zu vier Kilogramm. Alle Fische sind
"wild trouts". Ein Besatz mit Setzlingen aus Zuchtanstalten
findet nicht statt.
Ruten, Rollen, Schnuere,
Fliegen
Die schoenste und wettermaessig
bestaendigste Zeit liegt in der Regel zwischen Mitte Feber und Mitte
Maerz. Der Februar ist in Chile zwar der Feriemonat; die
meisten Touristen zieht es aber an die Straende im Norden. Nur wenige
Reisende besuchen den landschaftlich faszinierenden Sueden ihres
Landes. Eher trifft man nordamerikanische und europaeische Besucher.
Mit einer 4er und einer 6er
Rute von je 9 Fuss ist man zufriedenstellend ausgeruestet.
Entsprechende floating und sink- tip Schnuere auf Rollen mit
Ersatzspulen erleichtern die schnelle Umruestung.
Wer den Lachsen nachstellen
moechte kann dies mit einer Zweihand- oder einer staerkeren
Einhandrute tun. Alle auch an europaeischen Gewaessern
faengigen Fliegen werden von den chilenischen Forellen angenommen.
Eintagsfliegen, auch Mayflies, schluepfen zahlreich in Stillwassern
und Fliessen genauso wie Koecher- und Steinfliegen. Flohkrebse und
Egel (Leeches) sind Nahrungsquellen
besonders zu Beginn der Saison. In dieser Zeit und zum Ausklang der
Fischerei im Herbst sind Streamer erfolgreich. Wer allerdings glaubt,
die Fischerei sei einfach und die Forellen wuerden auf alles beissen,
was man ihnen vorsetzt,
unterliegt einer Taeuschung. Diese kampfstarken Salmoniden sind
meistens aehnlich selektiv wie europaeische Forellen aus
Kreidefluessen. Man muss sie mit dem richtigen Muster verfuehren. Es
ist eine Herausforderung an all unsere fischereilichen Kenntnisse.
Aber das macht unsere
Passion ja erst zu einem befriedigenden Erlebnis.
Stillwater Fischen vom
Feinsten
Nachdem ich die achtziger Jahren in
Argentinien und die Fischerei im Sueden dieses herrlichen Landes
geniessen durfte, verliebte ich mich in die prachtvolle patagonische
Landschaft. Nach einer Odysee in den neunzigern, mit beruflichen
Aufgaben in Brasilien, Genf, Zentralamerika und Madrid fuehrte mich
mein letzter Posten nach Santiago de Chile. So lernte ich die
Fischerei durch jaehrliche Reisen in und um Coyhaique kennen.
Die Landpreise dort
explodierten zu Beginn des 21sten Jahrhunderts. Einerseits entdecken
immer mehr Auslaender die unberuehrte Natur, kaufen Farmen und lassen
sich in dieser Region nieder; andererseits treiben Landkaeufe des
spanischen Energiekonzerns Endesa den Hektar Preis in die Hoehe. Chile
benoetigt fuer sein stetiges Wirtschaftswachstum zusaetzliche Energie.
Endesa will mehrere Wasserkraftwerke an den Fluessen Baker und Pasqua
suedlich von Coyhaique errichten; Projekte, die von
Umweltorganisationen heftig bekaempft werden.
Schon bei meinem ersten
Fischereiaufenthalt in Coyhaique fuehrte mich mein Guide an den Pollux
See. Die kampfstarken Rainbows, die ich dort mit kleinen Nympfen zum
Anbiss verfuehrte, blieben fest in meiner Erinnerung. Der 7 quadrat km
grosse See liegt auf 750 m ueber dem Meerespiegel. Von Coyhaique und
auch vom Flughafen Balmaceda ist er mit einem SUV in 35 Minuten zu
erreichen. Er bildet mit dem etwas hoeher gelegenen See Castor und dem
auf 600 Hoehenmeter angesiedelten See Frio ein geschlossenes
Oekosystem. Der am hoechsten gelegene Castor See, nur wenige km von
der argentinisch- chilenischen Landesgrenze entfernt, entwaessert in
den Pollux See, der wiederum seinen einzigen Ausfluss in den Lago Frio
ergiesst.
Der Lago Frio entwaessert in
den Simpson Fluss, bildet jedoch vor dessen Zusammentreffen einen
sechs Meter hohen senkrechten Wasserfall, der einen Aufstieg
wandernder Salmoniden unmoeglich macht.
Es wird berichtet, dass zu
Beginn des 20 sten Jahrhunderts befruchtete Eier von
Regenbogenforellen aus Kalifornien in die drei Seen eingebracht
wurden. Die genetische Reinheit dieses Stammes hat sich bis heute
erhalten. Die Fische wachsen prachtvoll ab. Das Nahrungsangebot ist
reichhaltig. Sie sind silbern wie Steelheads mit lachsrotem Fleisch
und aehnlich kampfstark. Andere Fisch- und Forellenarten sind in
diesen drei Seen nicht heimisch.
Nun fische ich
schon durchgaengig die dritte Saison am Pollux See. Es ist die
Verwirklichung eines Lebenstraumes, den ich mir durch den Bau eines
gemuetlichen Holzhauses direkt am Seeufer erfuellt habe. Die Bucht, an
der es errichtet wurde, hat von Schilfrohr freie Ufer. Auch befindet
sich der einzige Ausfluss des Sees in dieser Bucht. Da der sanft
abfallende Seegrund den Schuhen festen Halt bietet, kann gefahrlos das
gesamte Ufer watend befischt werden. Mein Sohn nennt das deshalb
jugendlich respektlos die " Alt-Herren-Strecke". Ca. 20 m
vom Ufer entfernt, wird die Bucht auf ihrer gesamten Laenge von einer
drei bis vier Meter breiten Krautbank durchzogen. Ein paradiesisches
Biotop fuer Koecherfliegenlarven, Flohkrebse und Kleinfische.
Zu Beginn der Saison sind die
Krautbeete niedrig. Im Hochsommer reichen sie bis zur
Wasseroberflaeche. Die Wassertemperatur liegt zwischen 8 und 10 Grad
und steigt selbst an mehreren kontinuierlichen Sonnentagen kaum ueber
14 Grad .
Im Laichmonat September der
Regenbogenforellen sieht man die grossen Rogner und Milchner bei ihrem
Liebesspiel in den Seeausfluessen. Derweilen kommen dann
unverantwortliche Einheimische, meist Jugendliche, mit Lanzen und
Mistgabeln und toeten die auf ihr Laichgeschaeft konzentrierten
Fische. Anzeigen bei den fuer die Fischereiaufsicht zustaendigen
Behoerden verstauben meist wirkungslos in den Akten.
Ueberhaupt ist die mangelnde
Kontrolle der Angelfischerei in Chile durch die Aufsichtsorgane ein
unerfreuliches Problem. Vermutlich besitzen die wenigsten
einheimischen Angler eine Fischereierlaubnis. Fangquoten werden kaum
beachtet.
An den Tagen der Monate
Dezember bis Februar beobachte ich im Schnitt mindestens zwei Boote
mit je drei Trolling Fischern auf dem See. Zurueckgesetzt wird da
nichts. Die grossen Drillingshaken verletzen die Forellen und die
Wahrscheinlichkeit, dass abgekommene Fische verenden, ist entsprechend
hoch. Schaetzungen gehen von ueber 1000 Fischen aus, die auf diese
Weise pro Saison dem See entnommen werden. Und das sind Regenbogen
zwischen 45 und 60 cm, die zwischen zwei und ueber drei Kilo schwer
sind. Fuer uns Fliegenfischer ein aergerlicher Aderlass.
Vor etwa 12 Jahren hat ein
nordamerikanischer Guide eine Lodge am See errichtet. Die "Campo
Chile Lodge" wird nahezu ausschliesslich von Fliegenfischern aus
den USA besucht. Da sie an einem mit Schilfrohr bewachsenem Ufer
liegt, hat der Lodgebetreiber Stege fuer seine Gaeste angelegt, die
dann beim Schlupf der Koecherfliegen in den Abendstunden von den
Holzstegen aus den seeseitigen Schilfrohrsaum befischen koennen. Fuer
die Besucher der Lodge gilt striktes "catch and release".
Belly Boats stehen dort auch zur Verfuegung.
Ein begeisteter Fliegenfischer
und Jaeger, Chirurg am staedtischen Hospital von Coyhaique, berichtet,
dass vor ca. 10 Jahren die Durchschnittsgroesse der Fische ueber 60 cm
betrug. Vier Kilo schwere Forellen seien in der Bucht nahezu die Regel
gewesen. Heute sei eine Regenbogen von 45 cm bereits ein guter
Durchschnitt. Die unkontrollierte Entnahmepraxis habe schon zu einer
spuerbaren Verringerung der Anzahl grosser Forellen gefuehrt.
Die fischereiliche Praxis
Zu Beginn der Saison, im Oktober
und Anfang November, erholen sich die grossen Rogner und Milchner von
ihrem Laichgeschaeft und verweilen zum Grossteil in den Zu- und
Abfluessen der Seen, die durch die Schneeschmelze reichlich Wasser
fuehren. Dort finden sie ein ueppiges Nahrungsangebot. Erst wenn die
Wasserstaende sinken, ziehen die Fische zurueck in den See. Mit der
egg-fly konnten wir einige dieser Fische verfuehren. Da aber in diesen
recht schmalen Fliessen kaum Raum fuer laengere Fluchten dieser 3-4
Kilo Forellen besteht, reduziert sich der sonst so spannende Drill auf
ein Waelzen der Fische an der Oberflaeche im Niedrigwasser.
Ab Mitte November ist dann die
Fischerei im See angesagt. Das Kraut ist niedrig und sink-tip Leinen
mit kleinen unbeschwerten Streamern bringen manch schoenen Fisch. Aber
beim Drill merkt man schnell, dass die Forellen noch nicht in Top Form
sind. Ich bevorzuge in diesen Wochen bis ungefaehr Ende Dezember die
Fischerei mit leichtem Geraet. 4er Rute, floating WF, Vorfach 3m mit
Spitze von 0,20 und leicht beschwerter Sedge Nymphe. Da der Wind
meistens von hinten blaest, sind Wuerfe von ueber 20m kein Problem.
Und da man ca. 15m vom Ufer entfernt im Wasser watet, erreicht unsere
Fliege die aussichtsreichen Stellen hinter der Krautbank. Der Biss
kommt heftig und man merkt sofort, wenn ein guter Fisch die Nymphe
genommen hat. Mehrere Spruenge sind die Regel, gefolgt von langen
Fluchten.
Im Jaenner und Feber erwaermt
sich das Wasser mit der Folge ausgedehnter Schlupfperioden sowohl von
Eintags- als auch von Koecherfliegen. Leider waechst auch das Kraut in
diesen Monaten beachtlich schnell. Und die Forellen scheinen zu
wissen, dass sie bei Fluchten dorthin mit groesserer
Wahrscheinlichkeit den laestigen Haken loswerden. Viele gute Fische
habe ich auf diese Weise schon verloren. Daher gehe ich in diesen
Wochen zu staerkeren Vorfachspitzen ueber und greife auch zur 6er Rute
mit einer Multiplier Rolle. Sedge Pupa Imitationen, gefischt an
floating oder intermediate Schnueren sind in dieser Zeit der Renner.
Die Fische sind in Hoechstform: pure Muskeln fuer spannende und
langwierige Drills mit Spruengen und mehrmaligen Fluchten weit ins
backing.
Der Maerz ist die hohe Zeit der
Koecherfliege. Besonders in den Abendstunden bis zum Einbruch der
Dunkelheit veranstalten die Forellen wahre Fressorgien. Ueberall um
einen herum platscht und planscht es. Die typischen V-Wellen, die auf
der Wasseroberflaeche durch ans Ufer krabbelnde Koecherfliegen
ausgeloest werden, lassen sich durch leichtes Ziehen an der
Fliegenschnur nachahmen. Gefischt wird mit Rehhaar Sedges auf 12er
Haken. Obwohl die Forellen nicht wie im Fliess feste Standorte haben,
lohnt sich derweil der Wurf an eine Stelle, wo soeben ein Fisch
aufgegangen ist. Oft verfehlt die Forelle naemlich das natuerliche
Insekt und wenn dann unsere Kunstfliege rechtzeitig den Ort des
Geschehens erreicht, wird sie bedenkenlos genommen. Besonders reizvoll
ist diese Fischerei bei Vollmond. Auch kann man in diesen Stunden
statt einer nur noch schwer zu sehenden Sedge, einen schwimmenden
kleinen Muddler Minnow oder eine Schaumstoffimitation, die als
"Chernobil Ant" bekannt ist, mit Erfolg fischen.
Der April, sofern er nicht zum
"goldenen Oktober" wird, laesst Wasser- und Lufttemperatur
bereits empfindlich sinken. Ungern fische ich mit Handschuhen aus
Neopren. Zu oft flutscht mir beim Doppelzug die Schnur durch die
Finger und der Wurf misslingt. Abgeschnittene Fingerkuppen sollen
angeblich dieses Problem beheben. Aber dann kommt die Haut durch
staendigen Kontakt mit der nassen Schnur zu aehnlicher Unterkuehlung
wie die Hand ohne Handschuh. Da setze ich mich lieber ins Auto und
fahre an andere Gewaesser, um mit Streamern oder Nympfen den brown
trouts nachzustellen oder versuche mein Glueck auf die dann
aufsteigenden Silvers im Rio Simpson mit seinen Zufluessen.
Coyhaique trotz allem ein
Paradies
Die Fischerei mit der
Fliege an Gewaessern in und um Coyhaique scheut keinen Vergleich mit
Eldorados aus Montana, Idaho oder Neuseeland. Im Gegensatz zu
kanadischen Fischgruenden gibts hier im Sueden von Chile weder Baeren
noch laestige Mueckenschwaerme. Auch beim Klettern an steinigen
Flussufern muessen wir nicht mit unangenehmen Begegnungen von
giftigen Schlangen, Spinnen oder gar Skorpionen rechnen. Auch
unter diesem Gesichtspunkt eine lohnende Fischerei, zu der ich alle
nur ermuntern kann. Gerne berate ich jeden, der sich zu einer solchen
Reise entscheidet. Auch nehme ich
vereinzelt Hausgaeste auf.
Text und Fotos: Dr. Helmut
Wittelsburger
Gerne leiten wir Anfragen an den Autor
weiter.
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